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Reisen vom Polarkreis zum Äquator (VI)

Der versteinerte Wald von Escalante

 

Bryce Canyon              Navajo Trail      Versteinertes Holz       Navajo Arch          Partition Arch          Balanced Rock      Elefantenparade

Escalante liegt im Amerikanischen Mormonenstaat Utah. Will man zum versteinerten Wald (Petrified Wood) gelangen, muss man zuerst eine Stunde in der gleissenden Sonne den Berg hinaufsteigen. Vor 135 bis 155 Millionen Jahren war diese Gegend flach und viel näher beim Äquator als heute. Es gab auch viel mehr Niederschläge. Dinosaurier bewohnten damals die Region. Die Pflanzen bestanden hauptsächlich aus Farnen, Zykadeen und Nadelhölzern (Koniferen). Wasserfluten und Erosion entwurzelten Bäume und deponierten diese entlang von Sandbänken. Um aber versteinert zu werden, mussten die Hölzer rasch von Schlamm und Schlick überdeckt werden. So konnte keine Oxidation stattfinden, welche zum Zerfall der Pflanzen geführt hätte. Später bedeckte Vulkanasche die Gegend. Das Grundwasser war reich an Siliziumoxid, aber auch andere Chemikalien durchtränkten die begrabenen Bäume. Rote, braune und gelbe Salze beinhalten vorwiegend Eisen. Mangan und andere Elemente sind für purpurne und blaue Farben verantwortlich. Durch einen Mineralisationsprozess im Zellstadium wurde das Holz versteinert. Dieser Vorgang wurde unterstützt durch das Siliziumoxid, welches ja auch dem Zement und dem Beton seine Festigkeit verleiht. Er dauerte Millionen von Jahren.

Der beschriebene Wald liegt mitten auf dem Colorado Plateau, welches vor 40 Millionen Jahren angehoben wurde. Durch das Heben der Erdkruste brachen viele Baumstämme entzwei. Die Kräfte der Erosion wurden unterstützt durch das Gefrieren und Auftauen von Wasser, welches in die Bruchstellen und Risse hineinsickerte. Die vielen Holzstücke und Baumstämme von Escalante gleichen oft einem bunten Mosaik. Manchmal sind die Baumstrünke sogar von Kristallen besetzt. Bei einigen Stücken sind die Jahrringe und die Borke noch klar erkennbar. Teile versteinerter Bäume wurden von den Anasazi und Fremont Indianern frueher als Werkzeuge benutzt. Heute ist der Wald ein Staatspark. Es ist strengstens verboten, herumliegende versteinerte Holzstücke mitzunehmen.

Die steinernen Landschaften von Utah sind von einer ungeheuren Formen- und Farbenvielfalt. Im Bryce Canyon Nationalpark und im Cedar Breaks National Monument stehen Tausende von Hoodoos. Diese Steinfiguren regen die Fantasie derart an, dass jeder Betrachter eine andere Welt darin entdecken kann. Ich fand so beispielsweise Kamele, Elefanten, den Frosch Kermit, die drei Könige und kariöse Zähne. Die Naturwissenschafter sehen die Ursache der Entstehung dieser Steinfiguren in den Ablagerungen, der Plattentektonik, dem Wasser und dem Wind. Gemäss einer indianischen Sage haben Kojoten böse Leute in Steinfiguren verwandelt. Vielleicht steht ja auch Lots Weib unter den Erstarrten. Falls dies jedoch zutreffen würde, wäre das Zurückschauen beim Untergang von Sodom und Gomorrah eine wahre Volksbelustigung gewesen. Hier, im Kernland der Mormonen, wird die Bibel durch die „Heiligen der Letzten Tage„ sowieso nach eigenen Regeln interpretiert. Doch obwohl Brigham Young noch 27 Frauen und 56 Kinder hatte, wurde die Vielweiberei auf Druck des Staates abgeschafft und die Geburtenrate sinkt stetig. Auch der so genannte „Code of health„ – kein Tee, kein Kaffee, kein Alkohol, kein Tabak – hat Schlupflöcher bekommen. In Moab, einem Touristenort zwischen den Nationalparks Canyonlands und Arches, bekam ich zur Lasagne kein Weinglas, bevor ich nicht mein Bier ausgetrunken hatte. Meine Frau durfte theoretisch währenddessen den Halbliter mit ihrem eigenen Glas alleine kredenzen. Gesetz ist Gesetz – es gibt pro Person nicht zwei alkoholische Getränke auf einmal!

Wo selbst die Kängururatte (Dipodomys ordii) aufs Pinkeln verzichtet und stattdessen Harnkristalle ausscheidet, muss die Landschaft wohl trocken sein. Der schwarzschwaenzige Hase (Lepus californicus) sorgt mit seinen langen Ohren für „Air Condition„. Doch der Boden ist trotz der Hitze alles andere als tot. Diese Erdkruste wird „Kryptobiotischer Boden„ genannt. Tatsächlich gleicht sie einer unterhöhlten Brotrinde, welche aus einem Geflecht von Blaualgen (= Cyanobakterien), Moosen, Erdflechten, Grünalgen und Bakterien besteht. Weil die Blaualgen Stickstoff aus der Luft binden können, produzieren sie Dünger im Ökosystem. Wenn im Frühling Niederschläge fallen, blüht die „Wüste„ richtiggehend auf. Die Reifung eines solchen Bodens benötigt etwa 250 Jahre. Und auf diesem Boden stehen Zinnen und Torbögen, fragile Nadeln und fettleibige Buddhas. Wind und Wasser haben sie im Laufe von Jahrmillionen geformt. Die Kulisse im Arches Nationalpark kann man nicht mehr beschreiben. Hier bleibt ein Staunen, ein Verinnerlichen der grandiosen Szenerie von Physik, Geometrie und Ästhetik.