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Reisen vom Polarkreis zum Äquator (III)

Bei Arnolds am Schwanensee

    Bow Lake               Spirit Island          Swan Lake         Familie Arnold      Camping & RV-Park  Morgenstimmung Sandra am Lagerfeuer

Wir fahren durch die endlosen kanadischen Wälder dem Thompson River entlang nach Süden. Die dunkelgrünen Wälder werden nach und nach durch hellgrüne Flächen unterbrochen. Hier werden im Kahlschlag Parzellen abgeholzt und das Holz auf grossen Truckern abgeführt. Die Flächen werden anschliessend sofort wieder aufgeforstet und die Waldstrassen zurückgebaut. Nach und nach kommen auch Wiesen zum Vorschein. Heufarmen, Viehweiden, Pferdestallungen, Obst- und Gemüseplantagen werden immer häufiger. Sogar Lamas weiden da und dort. Doch innert eines relativ kurzen Landschaftsgürtels ändert sich die Farbe der Region. Rund um Kamloops werden die Flächen braun. Diese Steppe, teils sogar Wüste, verrät die Wasserknappheit jenes Gürtels, dessen Trockenheit bis nach Mexiko hinunter reicht. Es ist hier heiss wie in Südeuropa.

Wir nähern uns dem Okanagan Valley mit Vernon an seinem nördlichen Tor. Hierher sind unsere Nachbarn vor einem Jahr ausgewandert. Wir haben uns vorgenommen sie zu besuchen. Am Swan Lake finden wir ihren Campground, umrahmt von alten Trauerweiden. Die Umgebung erinnert an den Ägerisee, das Klima an den Tessin. Im Winter ist der See mehrere Monate lang gefroren und mit dem Auto befahrbar. Wir werden mit grosser Herzlichkeit empfangen und verbringen drei Tage bei Arnolds. Am abendlichen Lagerfeuer erfahren wir viel ueber Einwanderer und ihre Probleme. Am eindrücklichsten erzählen dies die beiden Töchter Manuela und Sandra in der lokalen Auslandschweizer Zeitung. Ihre Schilderung soll auch eine Nachricht an alle ihre Kameradinnen und Freunde in Bürglen sein:

 

CRAZY YEAR 2000

Wir sind Manuela (12) und Sandra (10) und gehören zu "the Arnold’s". Das ist Daddy Markus, Mami Regula und unser Bruder Marco (8) und seit wir in Canada sind auch noch unser Hund Jessy. Unser neues Zuhause ist der Swan Lake RV Park and Campground, Vernon, 7225 Old Kamloops Road. In Canada sind wir seit Ende September 2000 und dass fing alles so an:

In der Schweiz wohnten wir im Kanton Uri, in Bürglen, da wo der Willhelm Tell her kommt. Wir wohnten in einem schönen Einfamilienhaus. Wir hatten nette Nachbarn und viele, viele Freunde. In Andermatt hatten wir auch eine Ferienwohnung. Dort verbrachten wir viel Zeit, vor allem im Winter. Von klein auf waren wir auf den Skiern und im Sommer kraxelten wir in den Bergen herum.

Alles war okay bis unser Daddy mit der Idee kam, nach Canada auszuwandern. Wir wollten gar nichts von all dem wissen. Zuerst haben wir das gar nicht ernst genommen. Aber als wir dann nach Bern zum Doktor fahren mussten, wussten wir dass es ernst gilt. Wir hofften, dass etwas falsch ist, dass wir das Visum nicht bekommen. Aber dass war dann nicht so…! Wir haben das Visum in weniger als fünf Monaten bekommen. Wir konnten das alles nicht begreifen, warum müssen wir überhaupt auswandern? Für uns war die Welt Schön und heil im Schächental. Unsere Eltern hatten ein Plattenleger Geschäft und Cheminéeöfen, etc., wir sind oft mit Daeddy auf die Baustellen gegangen. 20 Jahre lang hatten sie dieses Geschäft und wir glauben, das wollten sie nicht mehr.

Alle "Arnold’s" packten dann im August 2000 die Möbel, Werkzeuge etc. in den Container. Der grosse Lastwagen mit dem Container fuhr fort und wir hatten nur noch wenige Kleidungsstücke. Die Matratzen und andere nötige Sachen konnten wir von Nachbarn ausborgen. Wir gingen ja immer noch zur Schule, Marco hatte nach den Sommerferien erst gerade die 1. Klasse begonnen. In der Schule und zu Hause in unserem grossen Magazin hatten wir ein Abschiedsfest. Es war schön und schlimm!

Freitag, 22. September 2000: Wir waren müde und erschöpft, als wir endlich im Flugzeug nach Vancouver sassen. Die ganze Familie war ja schon im Juli in Vernon, da haben wir den Campground gekauft. Wenigstens wussten wir wohin wir müssen! In Vancouver hatten wir dann in einem Hotel übernachtet und am anderen Tag sind wir mit einem Mietauto Richtung Okanagan Valley gefahren.

Montag, 25. September: Das war unser erster Schultag an der Mission Hill Elementary School. Die ersten Wochen waren sehr hart, wir konnten nur yes, no, please und thank you sagen. Auch mit dem Schulbus fahren war sehr anstrengend, all die vielen Kinder aus verschiedenen Nationen. Die Lunchpause in der Schule, die Unordnung, fast keine Fenster im Schulhaus, etc. …all das waren wir uns gar nicht gewöhnt. Manchmal musste eines von uns drei am Abend im Bett weinen, wir hatten Heimweh nach unseren Freunden.

Wir waren aber nicht immer traurig, nur manchmal. Gefallen hat uns das Skifahren im Silver Star (obschon es keine Piste hat wie die Gletscherpiste am Gemsstock) oder das Langlaufen. Der zugefrorene Swan Lake vor unserer Haustüre war auch schön. Wir wurden zu Skatingpartys eingeladen und so lernten wir mit der Zeit viele Leute kennen. Seit dem Frühling können wir mit dem Kanu oder Paddelboot auf den See hinaus fahren … Jessy, unseren Hund nehmen wir auch manchmal mit. Wir können im Campground und in unserem Lädeli viel mithelfen, dann verdienen wir manchmal etwas. Die ganze "Geschichte" ist eigentlich sehr interessant. Die Schule schaffen wir mittlerweile problemlos. Wir sind alle drei im Vernon Fussballclub und auch sonst sportlich sehr aktiv. Unsere Freunde in der Schweiz haben wir nicht vergessen … wir schreiben, mailen oder telefonieren miteinander. Wir haben aber jetzt auch neue Freunde hier in Canada.

Manuela und Sandra

Die Familie Arnold gehört zu den glücklichen, welche den Sprung über den grossen Teich geschafft zu haben scheint. Die Kinder sprechen miteinander heute bereits englisch, damit auch ihre neuen Kameraden sie verstehen. Vieles ist anders, sei es besser oder schlechter. „Wer gut vorgesorgt hat, kann hier gut leben„, sagt Birgit, eine ausgewanderte Deutsche, „doch sonst wird es hier sehr schwierig„. Die Löhne sind tief, die Altersvorsorge ist bescheiden. Da gehören eben Pioniergeist und Mut mit dazu. Manche scheitern. Doch manche finden hier ihren neuen Lebensabschnitt, befreit vom Anhang der Enge und der Verpflichtungen. Da hat man plötzlich Raum und Zeit. Und irgendwie wohnen dank der neuen Kommunikationstechnik ja auch die abgelegensten Emigranten „just around the corner„.