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Shetland – ein europäisches Galapagos

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Wir suchten auf den Shetland Inseln die hellen und baumlosen Weiten des Nordens und waren einmal mehr fasziniert vom Anschauungsmaterial der Natur, welches Charles Darwin scharfsinnig zu einem neuen Weltbild zusammensetzte.

Am 12. Februar 1809 wurde in Shrewsbury der britische Naturforscher Charles Darwin geboren. Er hätte seine 1835 auf den Galapagos Inseln gemachten Beobachtungen über die Evolution auch auf den viel näher gelegenen Shetland Inseln anstellen können. Diese Schottische Inselgruppe liegt zwischen Norwegen, den Orkney und den Färöer Inseln in der Nordsee. Da die Shetland Inseln, welche eine Grösse von 1'426 km2 aufweisen, recht isoliert sind, ist ihre Artenvielfalt bedeutend geringer als auf dem Britischen oder auf dem Norwegischen Festland. Es gab weder zu Grossbritannien noch zu Skandinavien je eine Landbrücke, so dass nie Säugetiere einwandern konnten. Dies erlaubte gewissen Tier- und Pflanzenarten ähnlich wie auf den Galapagos Inseln sich eigenständig und einzigartig zu entwickeln. So findet man dort lokale Rassen des Zaunkönigs oder der Feldmaus und Formen von schwarz gefärbten Motten.

Unikate und Invasoren

Nirgendwo anders auf der Welt blüht das Shetische Mausohr (Cerastium nigrescens subsp. nigrescens). Statt wie auf den Galapagos Inseln den Blaufuss-, den Rotfuss- oder den Maskentölpel, fanden wir auf Shetland den ähnlichen Basstölpel (Sula bassana) zu Tausenden in den Klippen der prallen Steilufern brüten. Ähnlich wie auf den Galapagos Inseln breiteten sich eingeschleppte Tiere wie das europäische Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) oder standortfremde Pflanzen wie die nordamerikanische Gauklerblume (Mimulus guttatus) in Ermangelung von Feinden oder einer Konkurrenz rasch aus.

Die gefiederten Clowns des Nordens

Rund 22'000 Einwohner bewohnen als Nachfahren der Pikten, Kelten und Wikinger die Inselgruppe. Pro Bewohner trifft es etwa 15 Schafe und rund 10 Papageitaucher (Fratercula arctica), die Puffins der Felsenklippen. Ihr Gesichtsausdruck eines traurigen Clowns, ihr soziales Verhalten und ihre relative Zutraulichkeit erklären deren Beliebtheit bei den Naturfreunden. Ein besonders guter Beobachtungspunkt für Papageitaucher ist der Sumburgh Head, ein Felsvorsprung im Süden der Insel Mainland. Wie bei den meisten Meeresvögeln teilen sich die Eltern das Brutgeschäft, damit sich auch deren Partner mit kleinen Fischen sättigen können. Papageitaucher haben äusserst schnittige Flügel, damit sie pfeilschnell ins Wasser stechen können. Sie erreichen mit ihrem quirligen Flügelschlag das erstaunliche Tempo von 80 km/h. Als Zugvögel überwintern sie auf offener See, doch Manches über ihren Jahreszyklus ist noch unbekannt. Ferner beobachteten wir grosse Kolonien von pinguinähnlichen Trottellummen (Uria aalge), Gryllteisten (Ceppphus grylle) und Tordalken (Alca torda), welche alle zur gleichen Familie der Alken gehören.

Piraten der Lüfte

Nebst den kormoranähnlichen Krähenscharben (Phalacocorax aristotelis), den rotschnäbligen Austernfischern (Haematopus ostralegus) und Küstenseeschwalben (Sterna paradisea) faszinierten uns vor allem auch die Raubmöven, die Skuas. Sie sollen selbst Angriffe auf den Kopf von Menschen fliegen, wenn sie sich bedroht fühlen. Die Grosse Raubmöve (Stercorarius skua) kann bei der Verfolgung andere Vögel zwingen, ihre Nahrung zu erbrechen, um diese dann selbst zu verspeisen. Auch die sehr ähnliche Schmarotzerraubmöve (Stercorarius parasiticus) geht mit ihren Opfern nicht eben zimperlich um. Wir sahen diese brütenden Piraten in den Weiten des Naturreservates Hermaness auf der nördlichsten Shetlandinsel Unst. Die beiden Arten haben sehr variable ähnliche Gefieder und sind deshalb im Feld oft schwer zu bestimmen.

Cocktail der Sinneseindrücke

Während entlang der Küstenlinien die Seehunde (Phoca vitulina) und Kegelrobben (Halichoerus grypus) bellen, kreischen eine Etage höher in den Felsen Myriaden von Wasservögeln. Die Exkremente der Seevögel hüllen die Brutfelsen in eine eigentliche Duftwolke. Dieser Natursalpeter, auch Guano genannt, war früher als Dünger und für die Sprengstoffherstellung sehr begehrt. Steht man auf den Basaltklippen von Esha Ness oder den windausgesetzten Felsen der kleinen Insel Noss und hört das Donnern der Brandung der gewaltigen Wassermassen, erscheint das menschliche Dasein wie ein Anflug von Nichtigkeit. Als ob das Echo der Ursuppe nochmals nachhallen möchte, wird der Spruch des im November hundertjährigen französischen Anthropologen und Philosophen Claude Lévy-Strauss aktueller denn je, welcher in der Ausstellung „Our Dynamic Earth" in Edinburgh zu lesen ist: „Die Welt begann ohne Mensch, und sie wird ohne ihn enden".