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Reise nach China (II)

Auf dem langen Marsch zur Spitze

(Bilder zum Anklicken!)



Skyline von Shanghai           Sonnenuhr                  Fahrräder            Chinas Jugend           Städtchen Tongli           Garten Yu Yan

 

Die rasante Entwicklung vom kommunistischen Bauern- und Arbeiterstaat zur modernen Supermacht

Eigentlich war es eher Zufall, dass uns unsere Reiselust diesmal mitten im Hochsommer ins schwülheisse Ostchina führte. Doch wie Zufälle so spielen, dank „Touristenmangel“ kamen wir zu einem perfekt deutsch sprechenden chinesischen Führer samt Privatchauffeur. Yang Bao Rong, der Mittvierziger nannte sich auch Oskar, erhielt vor Jahren ein Stipendium, um in Deutschland und in St. Gallen während knapp dreier Jahre seine Deutschkenntnisse zu vertiefen. Kein Land hat mehr Studenten im Ausland als China. In den USA und in Grossbritannien stellen die Chinesen bereits den grössten Ausländeranteil. Deutsch ist in Chinas Schulen nach Englisch die am häufigsten gelernte Fremdsprache! Mehrmals bestätigte man uns, dass China von Deutschland, aber insbesondere auch von der Schweiz sehr viel gelernt habe. Tatsächlich fallen uns die Sauberkeit, das Qualitätsmanagement und die Pünktlichkeit auf. Beim Abfallreceycling ist man sogar bereits etwas weiter. PET-Flaschen werden mit Pfand gehandelt, weggeworfene Flaschen werden deshalb sofort gesammelt und zurückgebracht.

Boomendes Shanghai

Wir wussten um das gewaltige Wachstum der 14-Millionenstadt Shanghai. Dass die Ostküste Chinas bei uns gängig als Vorzeigeregion für Westler beschrieben wird, war uns ebenfalls bekannt. Doch unsere Eindrücke ergaben ein differenziertes Bild. Handies, iPods, Digitalkameras und schicke Markenkleider sind offensichtlich für viele Chinesen eine Selbstverständlichkeit geworden. Die Marken der ständig wachsenden Autoflut zeugen vom Qualitätsbewusstsein der Besitzer. Und um sich mit zusätzlichen Prestigesymbolen auszustatten, kann man auf der Strasse für wenig Geld jede Menge gefälschter Markenartikel kaufen, von der Rolex-Uhr bis zum Boss-Portemonnaie.

Auch das Hinterland der grossen Städte verändert sich in atemberaubendem Tempo. Bis 2020 will die chinesische Regierung das ganze Land in einen modernen High-Tech-Industriestaat verwandelt haben. Wer sieht, in welchem Tempo in den zentralen Städten futuristische Wolkenkratzer aus dem Boden schiessen, zweifelt nicht am Erfolg des Unterfangens. Mit einer Währungsreserve von rund 800 Milliarden Franken (inklusiv Hongkong und Taiwan) und jährlichen Wachstumsraten von 14% lässt China vergleichbare Handelsnationen weit hinter sich.

Hohes Ausbildungsniveau und technische Wunderwerke

Oskar zitiert einmal mehr einen seiner chinesischen Lehrsprüche. „Zuerst musst du 10'000 Bücher lesen, dann 10'000 km reisen, erst dann kann aus dir etwas Rechtes werden!“ Seine 14-jährige Tochter spielt Waldhorn und Geige in einem renommierten Jugendorchester. Die Einzelkinder werden in China gehätschelt und getrimmt. Wer es zu etwas bringen will, muss schon früh strenge Prüfungen und Selektionen bestehen. Wer weiter kommt, muss zahlen, denn die Eliteschulen sind teuer. Die Regierung fördert besonders die Hochschulen in beachtlichem Ausmass. Mehrere von ihnen zählen schon heute zu den besten der Welt und halten dem Vergleich mit der renommierten Harvard University durchaus stand.

China war seit alters her ein Land der Rekorde. Der 486 v. Chr. unter der Wu-Dynastie begonnene grosse Wasserkanal zählte zu den Wundern der antiken Welt. Dieser wurde 584 n.Chr. auf rund 1800 km erweitert und ist bis zum heutigen Tag der längste künstliche Wasserweg der Welt geblieben. Er steht der Chinesischen Mauer bautechnisch in nichts nach. Der so genannte Kaiserkanal führt über Schleusen von Hangzhou nach dem 30 m höher gelegenen Peking. Er wird zurzeit an mehreren Orten saniert und so wieder schiffbar gemacht. Auch auf ihre neue Schnellbahn sind die Chinesen besonders stolz. Mit bis zu 433 km/h flitzt der magnetische Transrapid reibungsfrei in knapp 7 Minuten vom Zentrum Shanghais zum 32 km entfernten Flughafen Pudong.

Auf dem Weg zur führenden Industrienation

Unsere persönliche Vorbereitung mittels gängiger Reiseliteratur wurde ergänzt durch die Lektüre von neuen Chinaberichten. Einer davon stammt vom deutschen Wirtschaftsredaktor und Chinakenner Wolfgang Hirn. Die Druckerschwärze des Fischer Taschenbuches ist eben erst eingetrocknet, die Publikation trägt den Titel „Herausforderung China – Wie der chinesische Aufstieg unser Leben verändert“. Sie dokumentiert auf eindrückliche Art den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas, das Europa und Japan in den nächsten 10 Jahren überrunden dürfte, aber wohl auch politisch und militärisch zur Grossmacht aufsteigen wird.  

Die Chinesen entpuppen sich in ihrer Strategie als schlaue Handels- und Geschäftsleute, eine Eigenschaft, welche ihnen seit jeher im Blut zu stecken scheint. Auf ihrer Einkaufstour sichern sie sich in Entwicklungsländern die Abbaurechte für Rohstoffe und Erdölfelder. Dank Joint Venture Abkommen mit Weltfirmen eignen sie sich das nötige technische Know how an. In der Folge gründen sie eigene Marken, welche ihren Vorbildern qualitativ kaum nachstehen, aber preislich bedeutend konkurrenzfähiger sind. Kaum eine Branche wird dabei verschont, seien es Textilien, Computerchips, Unterhaltungselektronik oder Weltraumraketen. Chinesische Marken wie Haier, Lenovo oder Huawei werden wohl bald so bekannt sein wie Philipps, Sony oder Electrolux.  

Diese enorme Entwicklung hat natürlich seine Kehrseite. Umweltverschmutzung, Wasserknappheit, fortschreitende Klimaerwärmung, Energie- und Rohstoffmangel sind einige Stichworte. Dabei scheint der Westen noch gar nicht realisiert zu haben, was in China wirklich abgeht. Das Reich der Mitte dürfte seiner Bezeichnung bald wieder alle Ehre machen!